Die Musikerin Billie Eilish bei den Oscars 2024
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Experiment Popmusik geglückt: Das neue Album von Billie Eilish

Billie Eilish ist ein popkulturelles Phänomen, unverkennbar in ihrer Musik, eigenständig, originell – und wahnsinnig erfolgreich. Jetzt ist ihr neues Album "Hit Me Hard and Soft" erschienen.

Über dieses Thema berichtet: Die Welt am Morgen am .

Mit 22 Jahren hat die Sängerin Billie Eilish eigentlich schon alles erreicht, wofür manch andere ein ganzes Musikerleben brauchen. Zwei Oscars, neun Grammys, unzählige Platin- und sonstige Edelmetallplatten. Mit ihren ersten beiden Alben hat Eilish einen Sound mit großem Wiedererkennungswert geschaffen. Die Art und Weise, wie sie reduzierte, aber dadurch nicht weniger präsente Beats mit sich überlagernden Gesangsschichten und tiefen Synth-Pads kombiniert, ist stilprägend geworden. Selbst Taylor Swift – dem vielleicht größten Popstar des Planeten derzeit – darf unterstellt werden, dass sie sich auf ihrem neuesten Album klanglich von Eilish zumindest inspirieren ließ – etwa für die Nummer "My Boy Only Breaks His Favourite Toys".

Überwog auf Eilishs erstem Album "When We All Fall Asleep, Where Do We Go?" noch der jugendliche Schwermut, der sich in teils düsteren, mit Störgeräuschen durchdrungenen Songs Bahn brach. So hellte sich die Stimmmungslage auf dem Nachfolger "Happier Than Ever" zumindest in Nuancen auf. Die Schwermut lässt mehr Raum für Melancholie, die ja ein durchaus schönes und befreiendes Gefühl sein kann. "Happier Than Ever" muss ja nicht heißen, dass plötzlich alles gut ist. Aber ein bisschen besser vielleicht.

Billie Eilishs Stimme steht viel präsenter im Raum

Hingehauchte Anti-Hymnen, die nicht nur für ihre Alterskohorte der Generation Z anschlussfähig sind, sondern weit darüber hinaus. Ihre Songs, die sie gemeinsam mit ihrem Bruder Finneas O’Connell schreibt, sind keine geschlossenen Diskursräume, in denen sich nur Eingeweihte tummeln, die die Chiffren zu entziffern wissen. Sinnkrise ist für alle da – egal ob Teenage-Angst oder Midlife-Crisis.

All das findet man auch auf ihrem heute erschienenen dritten Album "Hit Me Hard and Soft". Aber noch viel mehr. Das Album ist im Vergleich zu seinen Vorgängern sehr viel poppiger geraten. Die Songs sind weniger gehaucht, die Instrumentierung wärmer. Eilishs Stimme steht viel präsenter im Raum und mit "Lunch" gibt es sogar eine ziemlich tanzbare Nummer: Zu den Zeilen "I could eat that girl for lunch / When she dances on my tongue / tastes like she could be the one / And I could never get enough" treiben Bass und Schlagzeug einen schnurgeraden Popsong voran, der interessanterweise mit dem Refrain beginnt und sofort Fahrt aufnimmt.

Oder das Lied "Birds of a Feather", das in seiner verspielten Leichtigkeit eine stimmige Popnummer ist, die auch eine Taylor Swift nicht besser hätte machen können. Und genau das sei auch eine bewusste Entscheidung gewesen, sich poppigeren Klängen zu öffnen, sagt Billie Eilish selbst über das Album. Das habe ihr zuerst zwar Angst gemacht, weil sie sich nicht als Popkünstlerin sehe. Aber das Experiment Popmusik habe sie gereizt.

Neue Songstrukturen

Und die Freude am Experiment, die hört man dann, wenn sie und ihr Bruder andere Songstrukturen ausprobieren. Zum Beispiel bei dem Song "L’Amour de ma vie", der reduziert beginnt, wie man das kennt von Billie Eilish, sich dann zu einem warmen Refrain öffnet, wieder in einem düsteren Effektgewitter untertaucht, und dann zu EDM-Klängen Richtung Club weggaloppiert.

Was im Vergleich zu den beiden Vorgängeralben auffällt: Sehr viel häufiger als zuletzt tauchen analoge Instrumente wie Gitarre, Schlagzeug oder zum Beispiel Streicher auf. Wie im Song "Skinny", in dem es auch um den gesellschaftlichen Druck geht, der Schönheitsnorm zu entsprechen, wenn sie singt "People say I look happy / just because I got skinny". Er beginnt mit einer gezupften Gitarre, unter die sich langsam Instrument für Instrument ein Streichquartett mischt, das gegen Ende des Songs immer lauter und präsenter wird und den Song zu seinem Ende geleitet.

Mit "Hit Me Hard and Soft" ist Billie Eilish ein Album gelungen, das ihr Repertoire in Richtung Pop erweitert, aber nie in den seichten Mainstream abgleitet. Die Sinnkrise ist noch da, aber der hoffnungsvolle Aufbruch ist deutlich zu spüren. Den wilden Spekulationen im Vorfeld, ob sich ihr neues Album eher an ihrem Debüt- oder dem Vorgängeralbum orientiere, setzt Eilish eine Platte vor, die beides ist, aber den Blick eben darüber hinaus deutlich weitet - und neugierig macht, was da in Zukunft noch kommen mag. Das Experiment Popmusik ist in jedem Fall geglückt.

Bildrechte: Interscope
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Das Album "Hit me hard and soft" ist am 17. Mai 2024 auf dem Label Interscope erschienen.

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